Verschiedenheit im CVJM
Verschiedenheit gehört seit den Anfängen zum Wesen des CVJM. Den Rahmen, mit derselben umzugehen, bildet die Pariser Basis von 1855. Sie formuliert den Zweck des CVJM: „das Reich des Meisters unter jungen Menschen auszubreiten“.
Jesus Christus ist und bleibt die Mitte allen Wirkens des CVJM. Dazu beschreibt sie jenen Konsens, der anzeigt: Die Position des CVJM für den CVJM ist, dass es unterschiedliche Meinungen, Positionierungen, Haltungen und auch Auslegungen der Bibel zu verschiedenen Fragestellungen geben kann.
Diese Verschiedenheit halten wir gemeinsam aus und erinnern an die Pariser Basis: „Keine an sich noch so wichtigen Meinungsverschiedenheiten über Angelegenheiten, die diesem Zweck fremd sind, sollten die Eintracht geschwisterlicher Beziehungen … stören“.
Die Mitgliederversammlung des CVJM-Gesamtverband in Deutschland e.V. bestätigt die Formulierung, die in Konferenz der Generalsekretäre und Vorstand abgestimmt wurde als Vereinbarung zum Umgang mit Verschiedenheit.
Hofgeismar, den 26. Oktober 2019
Zum Hintergrund
Hansjörg Kopp erläutert, wie bzw. warum die obige Formulierung entstanden ist, auf der Mitgliederversammlung des CVJM-Gesamtverbands in Deutschland:
Der CVJM ist unglaublich vielfältig. Das wird sichtbar in der Fülle seiner Angebote und in der beeindruckenden Zahl an Menschen aus allen Generationen, verschiedenen Ländern, Kulturen und Milieus, die Teil von CVJM sind. Intergenerationalität, Interkulturalität, Internationalität – also „zwischen“ den Generationen, Nationen, Kulturen zu sein, denn das bedeutet „inter“ in der lateinischen Sprache – ist ein realer Ausdruck von CVJM und ein wunderbares Geschenk in unserer Zeit.
Eine solche Vielfalt und Verschiedenheit sorgt im Miteinander von Christinnen und Christen und auch im CVJM immer wieder für Irritationen. Dabei stoßen wir uns selten an dogmatischen Fragen, also daran, was wir als Christen glauben, sondern vielmehr an ethischen oder hermeneutischen Fragen. Also denjenigen, die auf unser Verhalten, unseren Lebensstil etc. und das richtige Verständnis der Bibel zielen.
Als 1855 die Delegierten die Pariser Basis formulierten, kam es wohl beim gemeinsamen Mittagessen zu erheblichen Irritationen. Zuvor war nach längerer Beratungszeit endlich gelungen, eine gemeinsame Basis für den YMCA zu formulieren. Deshalb waren die Delegierten aus aller Welt nach Paris gereist. Ein klares Bekenntnis zu Jesus Christus als Mitte des CVJM, verbunden mit dem Auftrag, junge Männer zusammenzubringen und das Reich des Meisters unter jungen Menschen auszubreiten. Wunderbar! Der Konflikt ereignete sich an der unterschiedlichen Bewertung der Sklaverei aus christlicher Sicht. Eine Einheit war unter den Anwesenden aus verschiedenen Ländern und Kontinenten in dieser Frage nicht möglich. Daraufhin wurde jene weise Formulierung der Pariser Basis zugefügt, die für uns heute noch leitend für den Umgang mit unterschiedlichen Meinungen und Erkenntnissen ist: „Keine an sich noch so wichtige Meinungsverschiedenheit über Angelegenheiten, die diesem Zweck fremd sind, sollte die Eintracht geschwisterlicher Beziehungen unter den nationalen Mitgliedsverbänden des Weltbundes stören“.
Die Möglichkeit, sich über Fragen, die der Ausbreitung des „Reiches des Meisters“ nachgeordnet sind, zu entfremden, ist gegeben. Das wissen alle Christinnen und Christen und das ist auch für den CVJM kein Geheimnis. Es gilt, dies zu verhindern. Und natürlich sollen uns die „heißen Themen“ nicht schrecken. Wir wollen darüber reden und sie auch nicht bagatellisieren. Doch sie sollen unser Miteinander nicht gefährden. Liest man z. B. die Berichte zum Apostelkonzil in Apostelgeschichte 15 oder Galater 2, die Berichte über Konflikte in der Gemeinde in Korinth, so ist das Ringen um das Gemeinsame und das Aushalten verschiedener Meinungen und Glaubenstraditionen von Beginn an auch Teil der Gemeinde Jesu. Nicht von ungefähr betete Jesus selbst für die Einheit seiner Jünger (Johannes 17) und der Weltbund wählte mit „auf, dass sie alle eins seien“ (Johannes 17,21) eines der zentralen Worte jenes Gebetes Jesu als seine Losung. Im ersten Logo des Weltbundes steht dies bewusst im Zentrum.
Vielfalt ist kostbar, die Verschiedenheit im CVJM ist zuerst ein Geschenk, auch wenn sie uns herausfordert. Uniformität - alle sind gleich und damit auch: alle sehen alles gleich – das wäre einfacher, denken viele. Doch es ist zu fragen, ob es das wirklich wäre bzw. ob wir so leben wollen und ob Uniformität überhaupt dem Wesen Gottes entspricht. Alle gleich, alle finden dasselbe gut und – alles andere hat im CVJM keinen Platz? Wenn wir wollen, dass Christus die Mitte des CVJM ist, dann ist alles andere von nachgeordneter Bedeutung und kann nicht im Zentrum stehen. Dieser Christus war als Jesus von Nazareth mit Prostituierten und Heiligen, Großzügigen und Geldgierigen, Machthungrigen und Demütigen, Rechthabern und Streitschlichtern und so vielen unterwegs. Er war „zwischen“ ihnen allen.
In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Situationen, in denen dieses Miteinander im CVJM durch unterschiedliche Bewertungen, v. a. in ethischen und hermeneutischen Fragen, Irritationen erfuhr. Deshalb hat die „Konferenz der Generalsekretäre“ (KGS) nach dem letzten Treffen der Leitungsverantwortungen wenige Sätze formuliert, um dieser Fokussierung auf Christus und einem Ja zu Vielfalt und Verschiedenheit Ausdruck zu geben. Dabei war es nicht handlungsleitend, ein Teilthema, z. B. eine ausgewählte sexualethische Frage, in den Fokus der Formulierung zu rücken, sondern eine Formulierung zu finden, die möglichst weit gefasst ist. Nachdem die KGS über die getroffene Aussage beraten hat, erfolgte eine weitere Beratung im Vorstand des CVJM Deutschland. Heute bringen wir sie, wie den Sitzungsunterlagen beigefügt, mit zwei kleinen Formulierungsänderungen aufgrund besserer Lesbarkeit ein. Die Mitgliederversammlung ist gleich gebeten, dieser Formulierung zuzustimmen.
Zur Verwendung: Es ist an keiner Stelle daran gedacht, mit dieser Formulierung die Pariser Basis zu ersetzen. Vielmehr ist sie als Hilfe zu verstehen, das Verbindende im CVJM zu fokussieren und dem Trennenden nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Es handelt sich um eine interne Positionierung für die CVJM-Bewegung - „Die Position des CVJM für den CVJM“. Ob Ortsvereine diese Formulierung übernehmen, bleibt ihnen natürlich selbst überlassen. Wir ermutigen sie gerne dazu. Unter den Mitgliedern des CVJM Gesamtverband in Deutschland e. V. wollen wir uns im Miteinander künftig daran orientieren und uns bei Meinungsverschiedenheiten, die dem eigentlichen „Zwecke fremd sind“, gegenseitig daran erinnern.