28. Oktober 2001
Forderungen des CVJM zur Förderung ehrenamtlichen Engagements in der Jugendverbandsarbeit
Die Gesellschaft und speziell die Jugendverbände leben ganz wesentlich vom vielfältigen Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dabei wird langfristiges ehrenamtliches Engagement schwieriger. Die gerade von aktiven Menschen verlangte Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort sind wichtige Ursachen.
Gleichzeitig wird die Gesellschaft immer komplexer. Das heißt, die / der Einzelne braucht Zeit, um komplexe Zusammenhänge innerhalb des Gemeinwesens zu verstehen, um richtige Entscheidungen treffen zu können. Langfristiges Engagement ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Qualitätssicherung in der Jugendarbeit und wird von daher nicht überflüssig, sondern eher wichtiger.
Die zunehmende Verlagerung der Förderung von kontinuierlicher Jugendarbeit hin zu Projektarbeit ist der falsche Weg. Dadurch gerät kontinuierliches Engagement, zusätzlich zu den Anforderungen der Arbeitswelt, weiter unter Druck. Die negativen Folgen tragen nicht nur die Verbände, sondern die gesamte Gesellschaft. Deshalb ist es notwendig, dass Politik gerade langfristiges ehrenamtliches Engagement fördert.
Der CVJM-Gesamtverband in Deutschland e.V. erhebt folgende politische Forderungen zur Verbesserung ehrenamtlichen Engagements in der Jugendverbandsarbeit:
1. Bürokratieabbau (zuständig: Bund + Länder)
Förderrichtlinien müssen "ehrenamtstauglich" sein. Sowohl der zeitliche Aufwand bei der Beantragung und Abrechnung von Fördermitteln als auch die erforderlichen Kenntnisse im Verwaltungsrecht müssen sich an den Möglichkeiten von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern orientieren. Bei der Erarbeitung der Förderrichtlinien sind deshalb die vor Ort tätigen Jugendverbände und Jugendringe einzubeziehen. In den Jugendämtern sollen für die Jugendförderung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter zum Einsatz kommen, die selbst über Erfahrungen als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in der Jugendverbandsarbeit) verfügen.
Behördenöffnungszeiten müssen so gestaltet sein, dass sie von Ehrenamtlichen wahrgenommen werden können.
Bei Veränderungen im Vorstand und in der Satzung soll, insbesondere bei kleinen Vereinen, auf notarielle Beurkundungen weitestgehend verzichtet werden.
2. Bessere finanzielle Ausstattung von ehrenamtlicher Arbeit (zuständig: Länder + Kommunen)
Bei der Planung und Förderung der Jugendarbeit müssen Angebote, die von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbracht werden, gleichberechtigt behandelt werden. Bei der Förderung der Infrastruktur und von Maßnahmen, die von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt werden, sind Kontinuität und Verlässlichkeit unverzichtbar.
Mittelfristige Fördervereinbarungen zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe sind mit dem Ziel anzustreben, die ehrenamtlich geleistete Arbeit finanziell abzusichern.
3. Eigenanteil bei geförderten Maßnahmen
Bei geförderten Maßnahmen soll der Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Eigenanteil anerkannt werden.
4. Förderung der Fortbildung für Ehrenamtliche (zuständig: Bund + Länder + Kommunen)
Die Kosten für Aus- und Fortbildung werden häufig von den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst getragen. Hier ist eine stärkere Kostenbeteiligung durch die öffentlichen Träger der Jugendhilfe, im Sinne von § 73 KJHG, notwendig.
Nehmen Jugendliche und junge Erwachsene bei einem anerkannten freien Träger der Jugendhilfe an einer vollzeitlichen Fortbildung für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teil, ist das Kindergeld weiter zu zahlen. Die Krankenversicherung soll über die Familienversicherung erfolgen.
5. Verbesserungen im Steuerrecht (zuständig: Bund + Länder)
Die steuerliche Abzugsfähigkeit von gemeinnützigen Spenden ist auf 10% des Bruttoeinkommens zu erhöhen.
Ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die keine Aufwandsentschädigungen erhalten, ist die Möglichkeit einzuräumen, Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang zum ehrenamtlichen Engagement stehen, steuerlich geltend zu machen. Für junge ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die noch über kein eigenes Einkommen verfügen, ist der Steuervorteil den Eltern einzuräumen.
6. Öffentliche Anerkennung (zuständig: Bund + Länder + Kommunen)
6.1 JugendleiterInnencard (zuständig: Bund + Länder + Kommunen)
Die JugendleiterInnencard ist durch gezielte Vergünstigungen von Bund, Ländern und Kommunen zu einem wirklichen Instrument der öffentlichen Anerkennung ehrenamtlichen Engagements in der Jugendverbandsarbeit auszubauen.
6.2 Zeugnisbeiblatt (zuständig: Länder)
Auf Wunsch von Schülerinnen und Schülern soll ehrenamtliches Engagement in allen Bundesländern auf einem Zeugnisbeiblatt bescheinigt werden.
6.3 Anerkennung ehrenamtlichen Engagements (zuständig: Bund + Länder + Kommunen)
Ehrenamtliches Engagement in der Jugendverbandsarbeit geschieht in erster Linie auf kommunaler Ebene. Insbesondere Kommunen sind aufgerufen, durch jugendgemäße Formen der Anerkennung dieses Engagement öffentlich zu würdigen und zu fördern.
Die Anerkennung ehrenamtlichen Engagements durch Bund und Länder kann den besonderen Stellenwert dieses Engagements unterstreichen.
6.4 Medien (zuständig: Medien)
Ehrenamtliches Engagement soll stärker als bisher durch die Medien gewürdigt werden.
7. Freistellungsregelungen (für Schüler/innen) (zuständig: Länder)
Die Kultusministerkonferenz wird aufgefordert, bundeseinheitliche Freistellungsregelungen für ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagierte Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahre zu vereinbaren. Eine Freistellung von Schülerinnen und Schülern kommt insbesondere für die Teilnahme an Aus- und Fortbildungsmaßnahmen und an Gremiensitzungen infrage.
Der Verdienstausfall von Berufstätigen soll jeweils von dem Land übernommen werden, in dem der Träger tätig ist.
8. Heimatortnahe Studienplatzvergabe (zuständig: Bund / zentrale Vergabestelle)
Ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendverbandsarbeit ist auf Antrag ein heimatortnaher Studienplatz zuzuweisen.
9. Personenbeförderungsgesetz (zuständig: Bund + Länder)
Das Personenbeförderungsgesetz ist dahingehend zu reformieren, dass dessen finanziellen und bürokratischen Anforderungen ehrenamtliches Engagement in der Jugend(verbands)arbeit nicht weiter gefährden.
Der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem weitere folgen müssen.
10. Arbeitsförderungsgesetz (SGB III) (zuständig: Bund)
Das Arbeitsförderungsgesetz ist dahingehend zu reformieren, dass Arbeitslosen ehrenamtliches Engagement uneingeschränkt möglich ist.
11. Freiwilligendienste (zuständig: Bund + Länder)
Nationale und internationale Freiwilligendienste sind bedarfsgerecht auszubauen.
Internationale und nationale Freiwilligendienste sind dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) dahingehend gleichzustellen, dass das Kindergeld weiter gezahlt wird und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sozialversichert sind.
Freiwilligendienste sind bei Bewerbungen um einen Studien- oder Ausbildungsplatz als Praktika bzw. Wartezeit anzurechnen.
Dieser Forderungskatalog wurde am 28. Oktober 2001 von der Delegiertenversammlung des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland e.V. beschlossen.