1. April 2006
Der CVJM nimmt Stellung zur Förderalismusreform
Der CVJM-Gesamtverband unterstützt das grundlegende politische Anliegen einer Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung durch die geplante Föderalismusreform.
Dabei bleibt für uns jedoch das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland herzustellen, unverzichtbar. Dies entspricht den Interessen junger Menschen und deren Familien, ist aber auch eine Aufgabe, die dem Bund verfassungsrechtlich (Art. 72 Abs. 2 GG) auferlegt ist. Umfang und Qualität von Leistungen für junge Menschen dürfen nicht allein von örtlichen Prioritätensetzungen bestimmt werden.
Deshalb fordern wir die vollständige Beibehaltung der Bundeszuständigkeit für die Kinder- und Jugendhilfe.
Das beinhaltet den geplanten Verbleib der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ebenso wie die Beibehaltung der bisherigen bewährten Organisationsstruktur der Jugendhilfe, die die Mitwirkungsrechte der Freien Träger gewährleistet und die Fachlichkeit der Jugendhilfe sicher stellt.
Würde der Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes 16/813 (bzw. nach Ablauf der in Artikel 125 b Absatz 2 geregelten Frist) der Fraktionen von CDU/CSU und SPD unverändert verabschiedet, erhielten die Länder die Möglichkeit, von den Regelungen zu den Verwaltungsverfahren und dem Aufbau der Behörden abzuweichen. Damit wären u.a. sowohl die Abschaffung der Landes- wie kommunalen Jugendhilfeausschüsse als Bestandteil der zweigliedrigen Jugendämter (§§ 70, 71 KJHG) als auch des Jugendamtes als eigenständige Fachbehörde durch Landesgesetz zu befürchten.
Dies und die sich daraus ergebenden Änderungen in anderen Teilen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (z.B. § 8 KJHG) würde das Wesen des Gesetzes gravierend verändern:
Jugendämter garantieren Fachlichkeit
In den kommunalen und Landesjugendämtern sind wesentliche Aufgaben und Fachkompetenzen gebündelt. Dem entspricht ihre Organisation als eigenständige Fachbehörde in der Verwaltung. Hilfe suchende Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien, aber auch freie Träger, und nicht zuletzt Jugend-, Familien- und Vormundschaftsgerichte sind auf kompetente Ansprechpartner angewiesen. Jugendämter sind als eigenständige Fachbehörde an das Kindeswohl gebunden und können dies auch gegen andere behördliche Interessen vertreten. Landesjugendämter verhindern durch Aufsichtsfunktionen Interessenkollisionen auf kommunaler Ebene.
Eine Verquickung der Kinder- und Jugendhilfe mit sachfremden oder gar konkurrierenden Aufgabenstellungen würde zu einem Verlust an Fachlichkeit führen. Die Gleichbehandlung junger Menschen in der gesamten Bundesrepublik wäre nicht mehr gewährleistet. Das Gesetz wäre in seinem Wesen verändert.
Jugendhilfeausschüsse ermöglichen gemeinsame Verantwortung
Jugendhilfeausschüsse sind die zentralen Orte der partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Politik mit den Kräften der Zivilgesellschaft und insbesondere mit den Freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe. Gemeinsam erfüllen sie den Auftrag, positive Lebensbedingungen für alle jungen Menschen herzustellen. Der Staat ist dazu allein nicht in der Lage. Er ist auf die Zusammenarbeit mit den Kräften der Bürgergesellschaft angewiesen und ihr verpflichtet.
Im Falle der Verlagerung der Zuständigkeiten wären die Partizipation junger Menschen in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe und die partnerschaftliche Zusammenarbeit Öffentlicher und Freier Träger der Jugendhilfe nicht mehr gewährleistet. Die Abschaffung der Jugendhilfeausschüsse würde das Wesen des Gesetzes verändern.
Individuelle Leistungsansprüche, die das Individuum in seiner Selbstbestimmung schützen und die Benachteiligung junger Menschen durch Behördenwillkür oder leere Kassen ausschließen sowie einheitliche Standards und die Jugendpolitik als Querschnittspolitik auf Bundesebene gerieten in Gefahr.
Aus diesen Gründen muss die Möglichkeit der Länder, von den Verwaltungsverfahren bzw. dem Aufbau der Behörden abzuweichen, für die Punkte ausgeschlossen werden, die das Wesen des Gesetzes verändern würden.
gez. Karl-Heinz Stengel, Präses
gez. Dr. Wolfgang Neuser, Generalsekretär
Beschlossen am 1. April 2006 vom Hauptausschuss des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland e. V.