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Neuigkeiten

Prüft alles- und behaltet das Gute!

Prüfungsstress? Ja, Prüfungs-Stress!
Diese Jahreslosung klingt auf den ersten Blick anstrengend, denn Prüfungen sind anstrengend - für die meisten Menschen zumindest. Übrigens nicht nur für Prüflinge, sondern auch für die Prüferinnen. Und „alles“ klingt so groß, so unüberschaubar. Wie soll das möglich sein, wenn man nur z.B. die Summe der Nachrichten nimmt, die Tag für Tag produziert werden und bei denen ich mich immer entscheiden muss, was ich hören, wahrnehmen, einschätzen will.

Mehr Fragen als Antworten
Diese Jahreslosung löst mehr Fragen in mir aus, als dass sie Antworten gibt. Muss das sein? Alles prüfen? Und wonach soll ich denn bewerten, was zu prüfen ist und was davon ist das Gute? Letzteres soll ich dann behalten, aber bedeutet behalten nur festhalten, dass es mir nicht wieder abhandenkommt oder auch danach zu handeln?

Und es wird nicht besser. Prüft alles. Schon wieder „alles“. Man könnte fast meinen, diejenigen, die die Jahreslosung wählen, hätten als Wort, das unbedingt vorkommen muss, „alles“ gewählt. Bereits 2024 haben wir alles in Liebe getan und wenn wir 2026 spoilern, dann heißt es da: „Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu“ (Offb 21,5).

Alles ist ein tolles Wort: alles in Liebe, alles Gute usw. Aber es klingt eben auch mühevoll. Gerade wenn es ums Prüfen, ums Handeln geht. „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht über mich haben“, schreibt Paulus in 1. Korinther 6,12.

Alles prüfen, wo mir alles erlaubt ist?

Manchmal wirken Begrenzungen lebensdienlicher, weil sie vereinfachen. Wenn vorab klar ist, was richtig ist und falsch, was es zu tun gilt und was zu lassen. Könnte doch jemand anderes für mich das Prüfen übernehmen, so wünscht man manchmal. Einfach schwarz-weiß, so ist es richtig, so ist es falsch. In 1. Thessalonicher 5,21 hingegen werde ich selbst zum Prüfer. Gott sei Dank schreibt Paulus nicht eine Einzelperson an, sondern die ganze Gemeinde. Gemeinschaftliches Entscheiden durch gemeinsames Abwägen und Argumente austauschen könnte demnach schon ein wesentliches Kriterium sein. Ich bin nicht auf mich allein geworfen. Wir beurteilen gemeinsam.

Wie geht denn „das Gute behalten?“. Da hilft weder Cloud noch Festplatte, weder Aufbewahrungsbox noch ein ganz festes Zupacken. Was hätte ich nicht schon gerne alles behalten und es ist mir dennoch entglitten und was hätte ich gerne losgelassen, habe es aber doch behalten, obwohl es möglicherweise nicht das Gute, nicht lebensdienlich war. Das kann schmerzhaft sein.

Ich stimme dir zu, Paulus, es ist eine großartige Idee, das Gute zu behalten. Doch es fehlt mir die Vorstellungskraft, es zu können. Dazu kommt noch: Woher weiß ich, was das Gute ist? Wer sagt es mir, wer hilft zu bewerten, einzuschätzen, wer legt Kriterien fest? Jedenfalls braucht es hierfür nicht nur Kraft, sondern viel Cleverness, Weisheit könnte man auch sagen, um hier gut unterscheiden zu können.

Und ich hadere mit dem Gesamtduktus: Wo steckt das Evangelium in diesem Satz, die gute, ermutigende, befreiende Kraft des Zuspruchs der Gnade Gottes? Die Sorge ist, dass wir ein Jahr voller Appelle vor uns haben und es in vielen Auslegungen, Andachten, Predigten nur darum geht, nach dem Guten zu leben und zu handeln. Paulus scheint es möglich, das Gute vom Nichtguten zu unterscheiden. Wenngleich der Zusammenhang, in dem die Jahreslosung steht, nicht von Gutem und Bösem spricht, sondern von besonderen Wirkweisen des Heiligen Geistes. Wie mit dem Schlechten oder gar Bösen umgehen, darüber schreibt Paulus an dieser Stelle nichts. Es ist zu erahnen, dass wir es nicht ergreifen oder gar festhalten, sondern im besten Falle loslassen sollen.

Aus Sorge um andere die Ermahnung zum Prüfen
Der 1. Thessalonicherbrief ist das älteste schriftliche Dokument des neuen Testaments. Das ist an sich bemerkenswert, hier in besonderer Weise. Denn eine wesentliche Frage ist, anhand welchen Maßstabs die Thessalonicher prüfen sollten? Zunächst wäre in biblisch-theologisch-reformatorischem Denken die Heilige Schrift, insbesondere das Neue Testament, selbst erstes „Prüfinstrument“. Was also tun in einer vorwiegend heidenchristlich (vgl. 1. Thess. 1,9, Apg. 17,4) geprägten Gemeinde, die – wenn überhaupt – nur über wenige Schriften des Alten Testaments verfügte? Gesammelte Schriften die später zum Neuen Testament wurden, lagen noch nicht vor.
Vermutlich setzt Paulus wie selbstredend voraus: Das Gesagte darf nicht im Widerspruch zum Evangelium stehen, es muss die Gemeinde aufbauen und Jesus Christus im Zentrum haben. Das muss auch heute, natürlich unter Einbeziehung der Bibel, erster und wesentlicher Maßstab sein.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Menschen weder bevorteilt, noch benachteiligt werden. Die Predigten des Apostels waren den Christen in Thessalonich sicher noch in Erinnerung. Auch sie dienten als Prüfmaßstab wie die Verkündigung derer, die in Abwesenheit des Apostels dafür verantwortlich waren. Gleichwohl galt und gilt für alle Verkündigung, ob sie „Christum treibet“, also mit der Heiligen Schrift vereinbar ist. Wenn demnach Predigten helfen sollen, das Gute zu erkennen, so sind sie zuerst selbst kritisch zu prüfen, ob sie der Prüfung zuträglich sein können. Umgekehrt ist hiermit an die besondere Verantwortung in der Verkündigung erinnert.

Mit 1. Johannes 4,1 lässt sich das Prüfen als eine Art „Sichten“ verstehen. Einige Hinweise gibt Paulus im Übrigen selbst im 1. Thessalonicherbrief: Das Evangelium kam zu ihnen nicht nur im Wort, sondern auch mit Kraft (1. Thess. 1,5). Paulus ging es nie darum, von Menschen geehrt zu werden (1. Thess. 2,5- 6). Seine Motivation war immer, die Thessalonicher im Glauben zu stärken, deshalb hat er ermahnt, getröstet, beschworen (1 Thess. 2,11f).

Alle sollen prüfen
Über den unmittelbaren Kontext hinaus – und so will die Jahreslosung ja verwendet werden – als ein Bibelwort, das losgelöst seines biblischen Kontextes anzuwenden ist, stellt sich natürlich weiter die Frage, was kann bei der Prüfung ein Maßstab und demnach dienlich sein. Der Mensch braucht beides, Außensteuerung wie Gesetze, Gebote, Regeln und eine Innenlenkung durch das Gewissen, wobei letzteres auch mehrperspektivisch ist. Zum Gewissen von innen tritt das Gewissen von der Seite (Soziologie). Das menschliche Miteinander, gesellschaftliche Normen etc. und das Gewissen von oben (religiöse Dimension). Die in der Schöpfung begründete Gottebenbildlichkeit des Menschen zeigt sich auch darin, dass ihm gegeben ist zu prüfen und dass der Mensch nicht nur instinktgeleitet, sondern von Verstand und Gewissen geführt entscheiden kann. Ein Kriterium für die Prüfung darf schlicht auch der sogenannte „gesunde Menschenverstand“ sein. Geht es um theologische Themen, greift Paulus mit seinem Brief an alle Christen in Thessalonich auf, was in der Reformation im Priestertum aller Glaubenden jene kategoriale Beschreibung erhielt, die allgemein gültig ist und dennoch oft zu wenig Berücksichtigung findet: Alle sind aufgefordert zu prüfen, im engeren Kontext das Wirken des Geistes in und durch Menschen zu untersuchen. Die eindrückliche Lehre des Priestertums aller Glaubenden, die uns seit der Reformationszeit prägt, liefert in eindrücklicher Weise Argumente, weshalb es in der Verantwortung und Kompetenz aller Christen liegt, insbesondere theologische Lehre und Wortverkündigung kritisch zu prüfen und dies nicht allein Theologinnen und Amtspersonen zu überlassen.

Das Gute – was ist das eigentlich?
Was versteht Paulus unter dem Guten? Das Euangelion, die gute Nachricht, ist jedenfalls das erste Gute, das Paulus meint. Gottes unverbrüchliches Ja zu den Menschen, das im Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu seinen Höhepunkt erfahren hat. Hinter allem steht eben jener Gott, der will, dass uns alle Dinge zum Guten, ja sogar zum Besten dienen (Römer 8,28). Darüber hinaus ist das Gute (Griechisch: ton agathon) natürlich all das, was wir heute zum Wohl des Menschen, der Umwelt, dieser Welt leben, entscheiden, verantworten, umsetzen wollen. Lebensbejahend statt verneinend, dienlich statt hinderlich. Hier können sich sicher spannende Gespräche ergeben, um sich miteinander zu verständigen, was das Gute ist oder zumindest verschiedene Perspektiven wahrzunehmen und nebeneinander stehen zu lassen. Das Gute ist ein umfassender Begriff, der das Schöne, Gute, Einwandfreie, Nützliche, schlicht das „Lebensdienliche“ ausdrückt.

Gleichwohl ist im paulinischen Sinne das Gute nicht nur das Aufbauende, das auf den ersten Blick Positive, weil ermutigend, bestärkend, unterstützend. Ermahnungen beispielsweise könnten auch Teil dieses Guten sein, sofern sie dem guten, Gott wohlgefälligen Leben in der Nachfolge Jesu dienen.

Behalten – wie kann das gelingen?
Ok, das Gute behalten, aber wo? In Händen, im Herzen, im Gedächtnis? Paulus gibt im 1. Thessalonicherbrief einige Hinweise. Zunächst: das Wort behalten ist sehr nahe der Katechese. Dem Memorieren, Aufschreiben, Auswendiglernen (learning by heart). Insgesamt etwa zehn Mal verwendet Paulus parakalew (ermahnen bzw. trösten) in diesem Brief. Ein Weg, das Gute zu behalten könnte gerade im Ermahnen und Trösten liegen. Der Tröster, wie der Heilige Geist im Johannesevangelium (z.B. Joh. 14,16) öfter bezeichnet wird, baut sozusagen eine Brücke zu unserem Text. Sich selbst zu erinnern, kann hilfreich sein fürs Behalten. Paulus schreibt vom Danken und Loben (u.a. 1. Thess. 1,2). Psalm 103,2 führt uns vor Augen, wie eng verschränkt Loben bzw. Danken und nicht Vergessen beieinanderliegen. Und natürlich auch indem wir anderen weitergeben im Sinne von weitersagen, mit anderen teilen. Auch das stärkt das eigene Behalten im Sinne des Bewahrens, nicht Besitzens.

Was behalten wir gerne? Was uns gut tut. Was ist ein Schatz? Damit ist nicht Reichtum gemeint. Was uns gut tut kann auch Begrenzung sein. Etwas behalten für mich. Ja, hier geht es zuerst um mich. Im Zweiten dann auch um die anderen, die Gemeinde Jesu etc.

Behalten ist nicht Klammern. Behalten heißt Festhalten, aber nicht so, dass die Hände nicht in der Lage wären, noch Neues aufzugreifen.

Das Ziel des Behaltens müsste Wirksamkeit sein. Entweder, weil dadurch Änderungen im eigenen Leben oder im Miteinander mit anderen erfolgen. Nicht nur Glauben und Handeln, Wort und Tat gehören für Paulus unmittelbar zusammen, sondern auch Stillstand und Veränderung oder Bewährtes und Erneuerung.

So will ich mich auf den Weg machen – mit der neuen Jahreslosung ins Jahr 2025: nicht als Dauer- Skeptiker, sondern als jemand, der das Gute sucht und behalten will. Schließlich will ich fröhliches und nicht ein nörgelndes Gesicht machen 😊😊

Bleiben Sie gesund und gesegnet im neuen Jahr 2025! Mit herzlichen Grüßen aus Kassel,
Hansjörg Kopp, Generalsekretär

Diesen Text und weiteres Downloadmaterial rund um die Jahreslosung 2025 findet ihr hier!